Tobias Lehners Malerei ist auch ein Reflex auf die moderne Verfassung des Denkens über Chaos und Ordnung. Aus der Setzung, wie er es nennt, und ihrer Korrektur, aus Aufbau und Zerstörung, wiederholt und wiederholt, auf gleicher Ebene und im kleineren Maßstab (aber nicht fraktal gleich), erarbeitet er seine prallen Bilder. Aber mit ihm wirkt nicht der Nous eines Anaxagoras, der als beherrschender Geist das Chaos entmischt und also übersichtlich macht.

Etliche der häufig verwendeten Muster Lehners haben verwandte Formen in der mechanischen Welt: gestanzte Bleche, Schablonenstreifen, Gitter. Neben, unter über ihnen aber macht sich Flüssiges, Weiches, Florales breit.

Wenn Lehner Partien mit gleichmäßig parallelen Streifen, mit von breiten Rändern umgebenen Quadraten oder mit Zielscheibenkreisen aufbringt, sind die Namen parat. Lehner vernichtet die assoziativen Marker nicht – er müsste zu viel vernichten. Also gehören die kunstgeschichtlichen Verweise in den nach vielen Seiten offenen Bedeutungsraum seiner Bilder. Doch ihr Hauptmotiv ist das Wogen und Wallen, Knallen und Schieben, Summieren und Teilen, Flüchten und Prallen, Knäulen und Drehen von Formen. Was erfolgt aufeinander? Welcher Bogen provoziert welche Kritik, wann merkt das Malerauge auf, greift Malerhand ein? (Textauszug - Meinhard Michael)

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