Aus der Rede von CHRISTOPH TANNERT zur Ausstellungseröffnung „Warrant of an Unreal World: Claudia Angelmaier, Nadine M. Rüfenacht, Sebastian Stumpf“, Galerie Kleindienst, Leipzig, 11.03.2023    

Der Titel der Ausstellung zielt auf das Verhältnis zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen. Zwischen allen fotografischen Beiträgen herrscht die Übereinstimmung, die Unwirklichkeit der Wirklichkeit und die Wirklichkeit der Unwirklichkeit ins Verhältnis zu setzen. Wenn wir ernstnehmen, was der Titel aussagt, dann ist die Fotografie hier die Garantie einer unwirklichen Welt (Warrant of an Unreal World), sie rechtfertigt das Unwirkliche. Aber, lassen wir uns nicht ins Bockshorn jagen, selbstverständlich gilt auch das Gegenteil. Diese fotografischen Bilder verweisen nicht nur auf etwas Irreales, Abstruses, Absurdes oder Fiktives - sie sind genauso gut real und nachvollziehbar. Denn: Fotografie ist nicht nur eine Bildsprache, eine bildgebende Methode und ein Darstellungsprinzip, sie ist auch eine Kategorie des Denkens, eine Schnittmenge verschiedener Ansichten und gebunden an ihre Theorie- und Praxisgeschichte.  Das schließt eine Diskussion um Realitätseffekte ein, um einen historischen Zeitrahmen und um Wahrnehmung, Innehalten, Inszenieren, Dokumentieren, äußere Faktoren und innere Einstellung, Licht, Zeit, Technik, um das Verhältnis von Abbildung und Medium, um „die Seele in der Silberschicht“, wie Rudolf Arnheim (1) formuliert hat und um „konstitutivem Betrug“, wie es bei Hubert Damisch (2) heißt.


(1) Rudolf Arnheim, Die Fotografie - Sein und Aussage, in: Ders., Die Seele in der Silberschicht, Medientheoretische Texte, Frankfurt/M., 2004

(2) Hubert Damisch, Fünf Anmerkungen zu einer Phänomenologie des fotografischen Bildes, in: H. Wolf (Hrsg.), Paradigma Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Frankfurt/M., 2002

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