ÜBERMALEREI

Über Georg Weißbachs »The Joy Of Overpainting«

Die Überschrift des Textes behauptet in einem Wort zwei zentrale Themen der Ausstellung: Über Malerei und Übermalen. Zudem steht vor dem Hintergrund einer Mauer wortwörtlich eine Frage im Raum: What Can I Do!!!

Die unter dem Titel »The Joy Of Overpainting«, neu entstandene, umfassend und -laufend präsentierte Werkreihe des Malers Georg Weißbach arbeitet sich über das Übermalen an grundlegenden Fragen der Malerei ab. Als Referenz dient die Fernsehshow »The Joy Of Painting«, in der der amerikanische Maler Bob Ross (1942-1995) in 403 jeweils halbstündigen Episoden, die zwischen 1983 und 1994 produziert und bis heute weltweit ausgestrahlt werden, jeweils ein Ölbild in der für ihn charakteristischen Nass-in-Nass-Technik malt und vermittelt. Ausgangspunkt der neuen Arbeiten Weißbachs ist ein Konvolut von über 150, nach jenem Vorbild bemalter Leinwände, die der Leipziger Künstler von einer CRI® (zertifizierte Bob Ross Mallehrerin) / CRFI® (zertifizierte Bob Ross Landschafts-und Blumenmallehrerin) erworben hat. Entsprechend des Gegenstandes der Betrachtung wiederholen sich dabei nicht nur größengleiche Bildformate, sondern allen voran die Motive: vorwiegend Landschaften mit Elementen wie Bäumen, Bergen und Seen.

Auf unterschiedliche Art und Weise nähert sich Weißbach diesem Material. Mal dient es allein als Bildträger, der vollflächig übermalt wird, sodass ein neues Bild auf zweiter Ebene entsteht. Mal operiert Weißbach mit Auslassungen, sodass sich Schichten verbinden und gemeinsam ein neues Motiv formen. Mal malt der Künstler nur punktuell über das Ausgangsbild hinweg, sodass neben- respektive übereinander neue und alte Bilder auf einer Leinwand entstehen beziehungsweise stehen bleiben. Mal ist es allein die Signatur Georg Weißbachs (G.W.), die die Übermalerei kennzeichnet. Entsprechend der Motivwiederholungen der Ausgangsbilder (von Berglandschaft bis Seestück) arbeitet auch Weißbach in der Übermalung seriell: Berge von Kippen reihen sich an Typologien von Säulen, Kakteen stechen heraus, einer Ansammlung narrativer Textarbeiten (mal ausgemalt, mal umrissen – mal positiv, mal negativ) steht eine Gruppe abstrakter Kompositionen gegenüber, während an anderer Stelle figuratives Bildpersonal auf monochrome Flächen trifft. Mal eröffnen Fenster Bildwelten, mal verstellt eine Mauer den Blick im und aufs Bild. 

Weißbach arrangiert seine Sinfonie kleinformatiger Malereien auf einer Tapete, die Backstein imitiert. Trotz ihrer grundlegend begrenzenden Funktion erweitert diese Mauer den Raum, indem sie den Innenbereich und das Außengelände der Galerie verbindet und darüber hinaus das Gefühl einer Bühne schafft. Vor diesem Hintergrund präsentieren sich nicht nur die einzelnen Werke, sondern formiert sich auch die Leitfrage, was man im Rahmen einer Ausstellung tun kann. In der Verschiebung der Interpunktion vom Frage- zum Ausrufzeichen, von »Was kann ich tun?« zu »Was kann ich tun!!!«, lässt sich ein Ausdruck der Überforderung hineinlesen. Eine Überforderung, die sich in Hinblick auf die Rolle des Künstlers unterschiedlich nachvollziehen lässt: nicht nur was die Anzahl der neu produzierten Werke und die damit verbundenen Herausforderungen betrifft, sondern auch in Bezug auf die Frage in der Kunst im Allgemeinen.

Was kann ich heute, konfrontiert mit einer jahrhundertealten Tradition von Malerei, noch tun? In der Verwendung eines Zeichens das mit Ausrufe-, Wunsch- und Aufforderungssätzen in Verbindung steht, liefert der Künstler mit der Frage gleichermaßen auch eine Antwort, im Sinne eines »What I Can Do!!!«. ER SIEHT NUR WAS ER SEHEN WILL & MALT NUR WAS ER MALEN KANN. 

Weißbach buchstabiert – wobei Schrift als künstlerisches Mittel schon immer signifikant im Werk des Künstlers war – verschiedene Ansätze der Übermalung aus, bei denen auf der Oberfläche, das heißt jeder additiven Malschicht, oberflächlich betrachtet auch Kapitel von Malereigeschichte im eigenen Vor- und Abbild zum Vorschein kommen: von Picasso bis Pictures Generation (etc. pp.), wenn man kunsthistorisch bemüht nach alliterarischen Beispielen sucht. »The Joy Of Overpainting« wird zur (Selbst-)Thematisierung des künstlerischen Schaffensprozesses und wirft Fragen zu Neu- und Echtheit (Originalität), Autorenschaft und Produktivität auf. Die Ausstellung fordert es auch heraus sich mit Aushalten auseinandersetzen. YOU CAN’T SPELL PAINTING WITHOUT PAIN. Wo verlaufen Grenzen zwischen vermeintlich hoher Kunst und glücksbringender Hobbymalerei? Scheinbar harmlose Motive, von deren Vorstellung wir uns ohnehin verabschieden müssen, fordern im Angesicht von Weißbachs Übermalerei Sehgewohnheiten und -ansprüche im Ausstellungsraum heraus, die am Ende auch noch Spaß machen (sollen). Mal so, mal so. Und um es schließlich wie Bob Ross am Ende jeder Sendung zu sagen:

  »From all of us here: I’d like to wish you happy painting and God bless, my friend«

 Franz Hempel

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