Henriette Grahnert, geboren 1977 in Dresden, studierte von 1997 bis 2004 Malerei bei Arno Rink an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, sowie 2001 an der Glasgow School of Art. 2008 erhielt sie den Ernst-Barlach-Preis und den Kunstpreis der Sachsen-Bank. 2009/2010 war Henriette Grahnert Stipendiatin in der Villa Massimo in Rom. Dem Kreis der Neuen Leipziger Schule angehörend, vertritt Grahnert mit ihren Arbeiten eine sehr eigene Position.

In der Ausstellung mit dem Titel Viva la Natura Morta! – Es lebe das Stillleben! bezieht sich Grahnert auf ein traditionelles Genre der Malerei, das seit Epochen mit der Kunstgeschichte fest verbunden ist. Zeigten die holländischen Meister ihr gesamtes künstlerisches Repertoire – unterschiedliche Materialien, Perspektive, Licht und Schatten, so trieben die Künstler des Kubismus diese Fähigkeiten in die Abstraktion und Unkenntlichkeit der Gegenstände. Grahnert bewegt sich charmant zwischen den Auseinandersetzungen mit den Malereitraditionen und ihrer eigenen künstlerischen Position. Der Titel der Ausstellung ruft im Betrachter ein kunsthistorisches Thema hervor, welches Henriette Grahnert auf den ersten Blick kompositorisch erfüllt. Geometrische Farb- und Leerflächen, Fantasieobjekte und fragile Formengebilde zitieren ein Arrangement, das vor dem klassischen Stillleben den imaginären Hut zieht. Doch beim genauen Betrachten löst die Künstlerin das vermeintlich leise Versprechen nicht ein. Gar nichts hier ist still. Die Stillleben-Kompositionen leben, wackeln, drohen auseinanderzufallen und jedes Detail darauf scheint im nächsten Augenblick aus dem Bild zu kippen. Dünn lasierte Farbklekse und plastische Elemente sind nur vermeintlich spielerisch in die Komposition eingefügt. Dazu spielt sie auf ihre eigene künstlerische Vergangenheit an, die zu neuem Leben erweckt wird. So tauchen zwischen den Arrangements aus scheinbar zusammengeworfenen Leinwänden auch Motive älterer Arbeiten auf. Das Material der Malerei: die Farbe, entwickelt ein wildes Eigenleben und spritzt raumgreifend zwischen den Bildtafeln hervor. Mit pointierten Bildtiteln wie „Stilläleiftäbel“ kombiniert sie klassische Formulierungen der Kunst in ihrer eigenen ideenreichen Wort- und Bildsprache und putzt mit einem ironischen Lächeln den Staub vom konventionellen Thema des Stilllebens. Dem stellt sie ein weiteres, das Portrait, zur Seite. So steht eine Kinderzeichnung ihres Sohnes neben einem Portrait von Pablo Picasso. Mit der Gegenüberstellung verschiedener Abstraktionsformen zitiert und reflektiert Henriette Grahnert nicht nur die klassische Malereigeschichte, sondern legt gleichermaßen Spuren in ihre eigene persönliche Welt. So mündet eine ernsthafte künstlerische Auseinandersetzung verbunden mit subtilem Humor in Werke von hohem bildnerischem und intellektuellem Reiz.

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