Peter Busch – Kreuz des Südens

Angenommen, Sie hätten ein Überraschungsei vor sich liegen.
Sie reißen die Folie ein, knacken die Schokolade mittig auf und zum Vorschein kommt das gelbe Plastik-Ei. Vielleicht sind Sie ein bisschen aufgeregt; Sammlerfigur oder Mini-Kranwagen-Bausatz: man weiß es (noch) nicht. Kurzum: in spannungsvoller Vorfreude haben Sie drei Schichten freigelegt, um an ein Dahinter zu gelangen.
Herzlichen Glückwunsch! Sie befinden sich nämlich genau jetzt in dieser Situation: einem Konglomerat aus Überraschungsmomenten, gepaart mit Entdeckerlust. Die Folie haben Sie mit Ihrem Galerie-Eintritt bereits entfernt, nun können Sie Schicht um Schicht fortfahren – und Überraschungen erleben.
Denn mich haben Peter Buschs Werke überrascht. Vor Jahren schon. Und sie hören einfach nicht damit auf. Hier ein Detail, das gestern mit Sicherheit noch nicht auf diesem Gemälde war; dort eine schemenhafte Andeutung, die Assoziationen aktiviert und Gedanken auf Streifzüge schickt.
Peter Buschs Werke haben mich durchs Land reisen, seiner versteckten Wandmalerei auf dem Gelände der Baumwollspinnerei nachspüren oder bereits geschlossene Ausstellungsräume öffnen lassen (legal!), sie haben mich zu seinen Freunden geführt und meine Freunde zu ihm.
Ein Stipendium hat Peter Busch 2022/23 einen längeren Aufenthalt in Hamburg eingebracht. Deren künstlerische Erzeugnisse speisen die jetzige Ausstellung.
Auf diesen Bildern begegnen einem Gestalten, die mittendrin sind in ihrem jeweiligen Tun, an dem wir für einen Augenblick teilhaben dürfen – als hätte jemand mit einem kurzen Stopp die Zeit angehalten.  
Buschs Werke sind seltsam unaufdringlich. Sie lugen mit diffizilen Beobachtungen um die Ecke, als ob sie erst einmal zurückhaltend vorfühlen wollten, wer ihnen sein Augenmerk schenkt. Sie haben es nicht eilig, geschweige denn nötig, sich in den Vordergrund zu rücken. Dezent und souverän ist über diese Bilder jemand am Werk, der mit einer sehr feinen Beobachtungsgabe durch die Welt gehen muss.
Der Gesichtern bei kaum figurativ konkreter Ausprägung maximale mimische Ausdrucksstärke verleihen kann. Oder ganze Beziehungsgeflechte zwischen Menschen (und Tieren) über Konstellationen von Farbflächen entfaltet.
Peter Busch scheint mir eher der Typ zu sein, dessen Interesse durch den Mini-Kranwagen im Überraschungsei geweckt wird. Die zusammengerollte Anleitung außer Acht lassend, baut er diesem vermutlich mit konzentrierter Selbstverständlichkeit noch kurzerhand eine Hydraulik ein, was ihm nicht der Rede wert sein wird.
Seine Kunst allerdings ist nicht nur der Rede, sondern vor allem der mehrschichtigen Betrachtung wert.
Den Ü-Ei Experten erkennt man übrigens daran, dass er sich durch leichtes Rütteln und Horchen vorab ein Bild des Inhalts zu machen versucht, wodurch noch eine zusätzliche Spannungsebene erzeugt wird.
Es würde mich nicht wundern, die eine oder den anderen von Ihnen alsbald vorsichtig an den Bildern Peter Buschs lauschend durch die Ausstellung streifen zu sehen.
(Aber bitte nicht an den Bildern rütteln!)

Sandra Oppmann

Zurück