Tobias Lehners Malerei ist auch ein Reflex auf die moderne Verfassung des Denkens über Chaos und Ordnung. Aus der Setzung, wie er es nennt, und ihrer Korrektur, aus Aufbau und Zerstörung, wiederholt und wiederholt, auf gleicher Ebene und im kleineren Maßstab (aber nicht fraktal gleich), erarbeitet er seine prallen Bilder. Aber mit ihm wirkt nicht der Nous eines Anaxagoras, der als beherrschender Geist das Chaos entmischt und also übersichtlich macht. Wie könnte er auch. Der Maler im 21. Jahrhundert, in Zeiten von sogenannter Endophysik und Autopoiesis, ist belehrt über die Grenzen der Ordnung. Er zeigt sich beeindruckt vom anscheinenden oder tatsächlichen Chaos der Weltentwicklung, von unvorhersehbaren Nachrichten und ihren rätselhaften Folgen, von der abwesenden Systematik in der Politik, auf dem Fußballfeld oder im Kunstbetrieb. Überall jedoch erheischen Theorien Ordnungsmacht und sind so erfolgreich – zum Beispiel auf dem Börsenparkett – wie der Zufall.

Etliche der häufig verwendeten Muster Lehners haben verwandte Formen in der mechanischen Welt: gestanzte Bleche, Schablonenstreifen, Gitter. Neben, unter über ihnen aber macht sich Flüssiges, Weiches, Florales breit. Gerade steht gegen gewunden, fließend gegen fest. Vielleicht lässt sich abwägen, dass die gerade gefügten Zonen die Flächen stabilisieren, wogegen die ungeraden sie in Bewegung versetzen. Nicht nur per se, weil sie weniger stabil sind, sondern mutwillig, als Gewitter von Patterns, wie Hans-Werner Schmidt es formulierte.

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