Während sich Tobias Lehner in seiner abstrakten Grundhaltung deutlich von seinem direkten, häufig figurativ arbeitenden künstlerischen Umfeld in Leipzig absetzt, findet er in der westlichen Kunst des 20. Jahrhunderts erste Orientierungen für seine eigene Arbeit, allen voran in der angloamerikanischen Kunst der Nachkriegszeit. Künstler wie Jackson Pollock, Mark Rothko, Barnett Newman oder auch Frank Stella interessieren Tobias Lehner. Der abstrakte Expressionismus und die amerikanische Farbfeldmalerei mit ihren immersiven Qualitäten, die bisweilen zum Transzendentalen neigen, das Eintauchen in sphärisch anmutende Bildwelten, die Farbfeldmalerei und vor allem aber ihr Ausloten von malerischer Komplexität und Einfachheit sind Bildtechniken, die Lehners eigene Arbeit stimuliert haben. Hierin ist Lehner mit zeitgenössischen Künstlern wie Sterling Ruby vergleichbar, der sich in seiner Malerei ebenfalls mit dem Erbe des Abstrakten Expressionismus auseinandersetzt. Mit Rothko teilt Lehner die Ansicht, dass Kunst Emotionen und Imaginationen evozieren soll und nicht etwa eine Systematik ihrer selbst willen darstellt. Jedoch ist er von der strengen Reduktion der Malerei Rothkos oder Newmans entfernt und ‚überfrachtet‘ eher seine Bilder, ‚chaotisiert‘ sie und ordnet neu. Auch fällt seine Malerei weniger sphärisch-transzendental aus als die seiner älteren amerikanischen Kollegen, vielmehr scheint er auch strengere Ansätze von Op Art-Künstlern wie etwa Bridget Riley wieder aufzugreifen und diese mit einer zeitgenössischen Vision weiterzuentwickeln. Der Fundus seiner Malerei ist die Kunst des 20. Jahrhunderts, aus der er schöpft und deren Impulse er verarbeitet. Seine Ästhetik aber ist die des 21. Jahrhunderts, sein visuelles Vokabular ohne die Erfahrung der Bildsprache von Videoanimationen und Computergrafik nicht denkbar. ... (Frédéric Bußmann in: Tobias Lehner. Vom Versuch zum Irrtum)

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