Sebastian Speckmann
Text
Zwischenwelten - Sebastian Speckmanns Bilderkosmos
von Jeanette Stoschek
Zeichnungen, Linolschnitte, Holzschnitte, Computerausdrucke, Collagen und Installationen sind Sebastian Speckmanns bevorzugte künstlerische Medien. Sie ziehen den Betrachter in eine dunkle, widersprüchliche Welt. Ein Kosmos entsteht, in dem Begriffe wie Raum und Zeit im Ungewissen bleiben und sich (Alp)träume, persönliche Erfahrungsräume und Erinnerungen ineinander schieben und mit der – scheinbar – vertrauten äußeren Realität verbinden.
Speckmann zeichnet, schneidet und druckt. Speckmann arbeitet seine Kompositionen direkt in die Platte. Die hellen Linien oder Punkte sind weggeschnitten oder gestochen, die farbigen Flächen entstehen aus den erhabenen Teilen des Druckstocks. Die Platten sind oftmals in dunklen Farbtönen gehalten. Der Künstler setzt mit seinen Schnitten und Stichen die Komposition. Aus dem Dunkel holt er die Bilder hervor. Durch die feingliedrigen Streifen und Linien gelangen Helligkeit und Licht in die dunklen, satten Farben.
Der Künstler arbeitet mit einfachen und klassischen Mitteln – Stift und Papier, Messer und Linoleum- oder Holzplatte – sowie simplen Formen – Strichen, Linien und Punkten. Auf diese Weise nähert er sich der komplexen Wirklichkeit. Seine Bilder findet er sowohl im privaten Fotoarchiv als auch in Büchern, Zeitschriften und Fotobildbänden, die er in Antiquariaten und auf Flohmärkten zufällig entdeckt. Es sind Fotografien oder Grafiken von vertrauten Landschaften – im Gebirge wie an der See – verlassenen Industrielandschaften, Architekturensembles oder Interieurs. Diese oftmals sehr farbigen Bilder werden von Sebastian Speckmann be- und verarbeitet und durch seine Sicht in neue, geradezu monochrome, dunkle Bilder transformiert. So werden sie in seine künstlerische Bildersprache transportiert und interpretiert. Speckmanns Bilder sind nicht von Tristesse geprägt. Sie haben eine gewisse Poesie und einen eigenen Zauber in sich. Bekannte Szenen bekommen – wie im Traum – eine surreale, gleichzeitig verführerische und unheimliche Notation sowie Atmosphäre, der sich der Betrachter nur schwer entziehen kann. Wie in einem Film von Stanley Kubrick oder David Lynch sucht man die verborgenen Bilder hinter den Bildern und wandert mit den Augen, wie einem Sog folgend, vorsichtig weiter. Neben der Findung des Bildes folgt im zweiten und finalen Schritt für den Künstler die Setzung des Bildes im Raum. In einigen Werken werden mehrere Arbeiten in einen Bilderrahmen fest montiert. Der Künstler hängt oder stellt seine Werke in einem Raum stets neu, es gibt keine verpflichtende Reihenfolge. Vielmehr sollen die Arbeiten untereinander eine eigene temporäre Syntax entwickeln. Die Bilder sowie die in ihnen zum Ausdruck kommenden Erinnerungen und Erfahrungen werden in einem neuen Raum in ein neues Beziehungsgeflecht gesetzt.
In seinen Werken kreist Speckmann um die ewige wie zentrale Frage in der Kunst: Was ist ein Bild? Wann wird eine Arbeit zum Bild oder zum Abbild? Welche Bedeutung haben Bilder? Was bedeuten Reproduzierbarkeit und die temporäre Installation für Inhalt, Aussage, Wert und Beständigkeit des Bildes? Wie werden die gefundenen Bilder und ihre Inhalte durch Speckmanns Eingriffe in Größe, Form und Farbe und Komposition verändert? Fragen, denen sich der Künstler kontinuierlich stellt und in seinen Werken beantwortet.
Für seine Arbeit nutzt Sebastian Speckmann auch Scanner und Drucker. Er scannt eigene oder gefundene Bilder ein. Danach vergrößert oder verkleinert er diese Scanns um ein Vielfaches, druckt sie aus und klebt diese Ausdrucke – gleich einer Tapete – auf die Wand oder auch eine selber gebaute Litfaßsäule im Raum, die der Betrachter umgehen kann. Die Bilder scheinen vertraut, doch zugleich irritierend, denn Gegenstände und Motive sind im ungewöhnlichen Maßstab, mal groß, mal klein. Die Bilder können nun zum neuen Bildträger für eigene Bilder werden oder sie werden in die Hängung großflächig integriert und bekommen den Status eines eigenständigen Bildes und einer neuen Komposition. Speckmanns Arrangements, Collagen und neue Setzungen sind gebunden an Zeit und Raum. Dadurch öffnet sich eine neue Welt, in der eine eigene Logik der Erzählung besteht, die sich der Eindeutigkeit entzieht oder gar unauflösbar bleibt und wieder offen für neue Ergänzungen und neue Leseweisen bleibt. Oftmals kombiniert der Künstler Ausdrucke mit einer temporären Wandmalerei und stellt in einer Zeit, die auf der Suche nach dem dauerhaften Bildarchiv ist, pointiert die Frage nach der Wertigkeit und Lebensdauer von Bildern.
In einer anderen Werkgruppe greift der Künstler noch konsequenter in die schon existente Bilderwelt ein. Er bearbeitet gefundene Fotografien oder Heliogravüren, indem er auf der Oberfläche schabt, kratzt, und die Farbe wegradiert. Danach setzt er neue Farbe – Pigmente – auf das Blatt. Speckmann schichtet vom Bild etwas ab, nimmt Farbe und Formen weg und setzt neue Farbschichten hinzu. Er behandelt die vorgefundene Arbeit, das fertige Blatt, wie eine Druckplatte. Der ursprüngliche Charakter der Seite bleibt gewahrt, weißer Rand und Bildunterschrift bleiben unberührt. Speckmann greift in die Bildkomposition, nicht hingegen in den äußeren Rahmen ein. Hybride, neue, sehr malerische Arbeiten entstehen; erweiterte Zeichnungen oder Überzeichnungen. Arbeiten, die in ihrer Vielschichtigkeit, ästhetisch wie intellektuell, den Betrachter in Sebastian Speckmanns Bilderwelten, seinen Bilderkosmos führen.
- 1982 geboren in Wolfen
- 2003-2009 Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig / Fachklasse Prof. Neo Rauch
- 2008 Austauschsemester an der Royal Academy of Arts, London
- 2009 Diplom bei Prof. Neo Rauch
- 2009-2011 Meisterschüler bei Prof. Heribert C. Ottersbach
- lebt und arbeitet in Leipzig
Einzelausstellungen
- 2022 Luna Park (mit Peter Busch), Galerie Kleindienst, Leipzig
- In Private, Goldberg Galerie, München
2021 Cumhu, Galerie Sebastianskapelle, Ulm
Die Nacht der Schlangen, Der Kreis, Nürnberg
2019 Ritus, Galerie Kleindienst, Leipzig
A fruitful darkness, Goldberg Galerie, München
Eclipse of Now, Galerie Soon, Bern
Parallel Vienna with Galerie Schloss Parz (Österreich) - 2018 Some things can be left unsaid, Museum Franz Gertsch, Burgdorf (Schweiz)
- 2017 Riotous Silence, Goldberg Galerie, München
- Songs from the second floor, Thaler Originalgrafik, Leipzig
- 2015 Suspense (mit Christian Brandl), Städtische Galerie, Bietigheim-Bissingen
- 2014 Das törichte Feuer (mit Claus Stabe), Galerie im Malzhaus, Plauen
Folie à deux (mit Nadja Bournonville), Galerie Kleindienst, Leipzig
Sommerausstellung (mit Claus Stabe), Kunst und Kultur zu Hohenaschau e.V., Aschau im Chiemgau - 2013 Hort, Kant Galleri, Kopenhagen
- 2012 Aus den Schatten, Galerie am Ratswall, Bitterfeld
- 2011 woher sie kommen wohin sie gehen pt.1, Internationaler Projektraum für Druckgrafik, HGB, Leipzig
- 2009 Verstaute Orte, Galerie Kleindienst, Leipzig
New Talents, Förderkoje, Art Cologne, Köln
Ausstellungsbeteiligungen
- 2022 Summer Exhibition 2022, Royal Academy of Arts, London
Neuste Leipziger Interventionen, Mittelrhein Museum Koblenz
Dialog in Vielfalt, Thüringer Landtag, Erfurt - 2021 Zeit zu drucken, Museum für Druckkunst, Leipzig
2020 We are open, Galerie Kleindienst, Leipzig
Summer Exhibition, Royal Academy of Arts, London
2019 Das Kollegium, Grafikstiftung Neo Rauch, Aschersleben
Meisterstück, Zentrum für Aktuelle Kunst Zitadelle Spandau, Berlin
Ticket to the Moon, Kunsthalle Krems (Österreich)
Circus, Thaler Originalgrafik, Leipzig
2018 Was bleibt. Positionen aus Leipzig, Galerie Schloss Parz, Grieskirchen (Österreich) - Time is on my LIne, Galerie Wagner & Partner, Berlin
- Start18, Goldberg Galerie, München
- Vierundzwanzigmaldreißig, Thaler Originalgrafik, Leipzig
- Druck_Sache, Galerie Pankow, Berlin
- Che resta/Was bleibt, Castello del Monferrato, Casale Monferrato (Italien)
- 2017 Black Sugar. 7 x zeitgenössischer Hochdruck, Städtisches Kunstmuseum Spendhaus, Reutlingen
- Ladder to Heaven, Neuer Pfaffenhofener Kunstverein, Pfaffenhofen
- Scharf geschnitten, Linolschnitte vom Expressionismus bis heute, Museum im Kulturspeicher, Würzburg
- Che resta/Was bleibt, Palazzo Ducale, Mantua (Italien)
- LUBOK in Delmenhorst, Städtsiche Galerie Delmenhorst
- EN 548. Linolschnitt heute, Lyonel Feininger Galerie, Quedlinburg
- 2015 Aus der Tiefe des Leipziger Raumes, Galerie Schloss Parz, Grieskirchen (Österreich)
- Vertraute Gesellschaft, Thaler Originalgrafik, Leipzig
Turn my water into wine, Kunstraum Ortloff, Leipzig - 2014 Klasse Ottersbach - Die Pferde sind tot, Forum Kunst, Rottweil
Sommerausstellung, kuk, Hohenaschau - 2013 Paper Exchanges - An Exhibition of Local & International Printmaking, Lake Country Art Gallery, Canada
LUBOK in Mexiko, Museo de la Estampa del Instituto Mexiquense de Cultura, Toluca, Mexico
Galleri Kant Project Space, Kopenhagen
Grafik und Buchkunst aus Leipzig, Galería de Arte Contemporáneo del Teatro Isauro Martínez Torreón, Coahuila, México
Max-Pechstein-Förderpreis 2013, Kunstsammlungen Zwickau
Prints / made in Leipzig, Ungarische Akademie der Bildenden Künste Budapest, Barcsay Hall, Budapest - 2012 CUTS, Galerie Maurer, Frankfurt/Main
Dämmerung, Klingerforum, Leipzig
room service, Galerie Kleindienst, Leipzig
Lubok, fica contemporánea y libros de artistas de Leipzig, Museo Nacional de la Estampa, Mexico City
Die Bilder sind unter uns, Galerie Queen Anne, Leipzig
Lubok. Druckgrafik und Künstlerbücher aus Leipzig,Kulturbahnhof Eller, Düsseldorf - 2011 Olpe Wolfen Schwarzenberg, Museum der bildenden Künste, Leipzig
Lubok, Kunstmuseum Spendhaus, Reutlingen
Germans Pech; Zink, Kunstverein Essenheim
Convoy Leipzig, Biksady Gallery, Budapest
Celebrate Sebastian, Galerie Kleindienst, Leipzig
16. Internationale Grafik-Triennale Frechen, Kunstverein Frechen
HGB-Meisterschülerausstellung 2011, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig - 2010 Druckreif, Kunsthaus Hamburg
Schnittstelle Druck, Museum der Bildenden Künste Leipzig
17. Leipziger Jahresausstellung, Josephkonsum, Leipzig
Watchin´ the river flow, Gates of Eden, Mannheim
Lubok, Künstlerbücher aus Leipzig, Lyonel Feininger Galerie, Quedlinburg
Summer Exhibition, Royal Academy, London
The Black Door Files, Black Door, Istanbul
Landschaften, Städtisches Kaufhaus, Leipzig
Linolschnitt heute, Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen
Mehr als nur ein Schuss, Beck & Eggeling, Düsseldorf - 2009 Everything Right Is Wrong Again, maerzgalerie Berlin
Neun Neue, Lindenau Museum, Altenburg
Never odd or even, parabol, Berlin
Lubok, Museum der bildenden Künste, Leipzig
2 Studenten & 2 Meisterschüler der Klasse Prof. Neo Rauch, Schloss & Gut Liebenberg
Baluster, Columbus Art Foundation, Leipzig
Never odd or even, Ortloff, Leipzig - 2008 Drawcula, Galerie Kleindienst, Leipzig
Dirty Fingers, St. Mauritius Pfarrsaal, Köln
Die Dinge ohne uns, Ortloff, Leipzig - 2007 Zeig mir deinen Katalog, du Schwein!, Galerie Kleindienst, Leipzig
Seit Leipzig, Kunsthalle Wittenhagen
Xylon Museum, Schwetzingen
100 Sächsische Grafiken, Bürgerfoyer des Sächsischen Landtags, Dresden
Lubok, Schauspielhaus Leipzig
Hey Lee, Projektraum Falke, Leipzig - 2006 Junge Kunst 11, Galerie Kleindienst, Leipzig
Holz im Bürgerhaus, Bürgerhaus Sulzfeld
100 Sächsische Grafiken, Neue Sächsische Galerie Chemnitz
Internationale Grafiktriennale, Krakau
The roof, Galerie Kleindienst, Leipzig
Raumprobe, Schauspielhaus Leipzig - 2005 Galerie Kampl, München
Kunsthalle Vogtland, Reichenbach
Stipendien / Preise
- 2013 Stipendiat der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
Nominierung für den Max-Pechstein-Förderpreis der Stadt Zwickau - 2010 6. Grafikpreis der Griffelkunst, Kunsthaus Hamburg
- 2007 1. Preis im Grafikwettbewerb „Linolschnitt heute“ der Stadt Bietigheim- Bissingen
- 2006-10 Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes